K.Wyborny

"PICTURES OF THE LOST WORD"

(Bilder vom verlorenen Wort)

50 Min Lichtton 16mm 1970-74

Kamera, Buch, Regie, Musik, Schnitt: K. Wyborny

Premiere Anthology Film Archive New York 9.Mai 1975

Erster Textentwurf
(zugleich programme note zu "Die Geburt der Nation" für das International Avant-Garde Festival London 1973)

Voice over text:

One day, when I was still a very young girl, I went home from school with Francis Picabia's late son. He informed me about a new invention which he called "television". I liked this idea for quite a while. He, however, continued: "and you can see the singers sing and move their arms." His enthusiasm was quite embarassing and I refused to bother about television any more.

Some years later, I already was a still very young city-boy, I used to dream of picture-poems with rhythm and rhyme, somewhat in the style of Old Brecht.

But I became a musician, and the hot autumn sun of the year 68 found me within the gates of New York City starting to work on a thesis on neutron stars. One morning, however, this girl took me out of town with an old Dodge. And night collapsed above our heads, and suddenly i could see them, for the first time in my life I saw the stars. What a disappointing experience.

The next day I got divorced and left America.

Back in Europe I was looking for something far beyond the decriptional level. I switched to Quantum Field Theory which was nice and not at all linked to any really existing object.

Then, in a moment of deepest despair, I happened to remember "The Old House Passing" which I saw in a moment of irresistable hope.

Right now, as I work as a truck driver I like to think ... I like to think of film as being a long assembly-line on which the filmmaker sits and works, putting information to each single frame that passes his path of existence. Just like these women do it in the factories where they build transistor radios following a planned schedule. Maybe the filmmaker also is the engineer who plans the schedule, but, honestly, I don't really think he is...

***

One year later Werner Herzog asked me to help him shooting some footage in Ireland. This year had been horrible. I was cleaning oiltanks and worked as a computer-programmer. In the evenings I got home from work, went into bars, got drunk and ended in weird situations. Fucking got worse and worse. There were no pictures worth being recorded...


Filmtext:

(Übersetzung des englischen Textes von Vincenz Nola)

Eines Tages, als ich noch ein sehr junges Mädchen war, ging ich mit Francis Picabia's inzwischen verstorbenen Sohn von der Schule nach Hause. Er informierte mich über eine neue Erfindung, die er "Fernsehen" nannte. Eine Weile mochte ich die Idee sehr, er fuhr jedoch fort: "Und man kann die Sänger sehen wie sie singen und ihre Arme bewegen." Seine Begeisterung war ziemlich peinlich, und ich lehnte es ab, mich weiterhin mit "Fernsehen" abzugeben.

Einige Jahre später - inzwischen war ich schon ein noch sehr kleiner Stadtjunge - träumte ich oft von Bildgeschichten mit Rhythmen und Reimen, irgendwie in der Art des alten Brecht.

Aber ich wurde Musiker, und die heiße Herbstsonne des Jahres 68 fand mich in den Toren von New York City, und ich begann eine Doktorarbeit über Neutronensterne. Eines Morgens jedoch nahm mich dieses Mädchen mit einem alten Dodge aus der Stadt, und in Woodstock brach die Nacht über unseren Köpfen zusammen, und

plötzlich konnte ich sie sehen, zum ersten Mal in meinem Leben sah ich - die Sterne. Was für ein enttäuschendes Erlebnis.

Am nächsten Tag ließ ich mich scheiden und verließ Amerika.

Zurück in Europa suchte ich nach etwas jenseits der Beschreibungsmöglichkeiten. Ich wechselte zur Quantenfeldtheorie. Die war hübsch und überhaupt nicht mit irgendwelchen wirklich existierenden Objekten verbunden.

Dann, in einem Moment tiefster Verzweiflung, erinnerte ich mich zufällig an "The Old House Passing", den ich in einer Minute unwiderstehlicher Hoffnung gesehen hatte.

Jetzt, wo ich als Lastwagenfahrer arbeite, denke ich gern ... denke ich gern von Film als einem langen Fließband, an dem der Filmmacher sitzt und arbeitet, an dem er jedes Einzelbild, das den Pfad seiner Existenz kreuzt, mit Informationen füllt, genauso wie es diese Frauen in den Fabriken tun, wo sie Transistorradios bauen und einem geplanten Schema folgen. Vielleicht ist der Filmmacher sogar der Ingenieur, der dieses Schema plant, aber ehrlich gesagt, das glaube ich eigentlich nicht.

***

Ein Jahr später bat mich Werner Herzog ihm beim Drehen einiger Einstellungen in Irland zu helfen. Dieses Jahr war furchtbar gewesen. Ich reinigte Öltanks und arbeitete als Computer-Programmierer. Abends kam ich von der Arbeit, ging in Bars, betrank mich und endete in üblen Situationen. Das Ficken ging immer schlechter. Es gab keine Bilder, die es wert waren, aufgezeichnet zu werden...


zeitliche Struktur / temporal structure:


Programmankündigung mit Kompositionsschema
Columbus/Ohio 18.5.79

K.Wyborny zur Arbeit an "Pictures of the Lost Word" und Strategien zu ihrer Verbesserung (aus Gespräch mit Klaus Wyborny - Die Grammatik der Welteroberung" - "Filmkritik" 10 / 79 - S. 464 ff.

Link zu Aufsatz über Bildrhythmen

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