K.Wyborny
von PC Melville
(Esq. und endlich zurück aus dem Ruhestand)
mit Life-Illustrationen von Thomas Struck
(angefertigt während der ersten öffentlichen Lesung bei einer Zusammenkunft von Freunden Hellmuth Costards anläßlich seines 60.ten Geburtstags im Hamburger Lichtmeß am 5.11.2000 )
ein Gedicht[1]
[1] Dieses Gedicht bildet den Schluß des Siebenten Teils der Comédie Artistique "Die Dame in Blau." Dort findet sich zu Beginn folgende Fußnote: am ehesten wohl in der Tat das Werk PC Melvilles, obwohl man bei ihm ja nie weiß. Dieses vielseitige Gedicht hat jedenfalls eindeutig erst er an den Schluß dieses Romans gesetzt. Ohne Frage wohnt ihm ein gewisser Zug zur Reue inne, vielleicht hat er darin auch einer gewissen Reue gegenüber dem, was er ansonsten mit diesem Roman angestellt hat, Ausdruck geben wollen. Über den Grund läßt sich nur spekulieren. Es bietet sich natürlich an, in Vereinigt - dort können wir PC Melvilles "Coming out" ja in allen Einzelheiten verfolgen - nach Motiven zu suchen.
Zum einen läßt sich die berühmte wiederholt aus dem Papierkorb geklaubte Passage zu Fußnote Nr. 115 kaum übersehen, wo es über seines Namenspatrons Arbeit an "Clarel" heißt:
"Vielleicht war ja seine instinktive Abwehr des Inhalts von "Clarel" ganz grundlos - - mag sein, daß Melville erst darin seine eigentliche Leistung gesehen hat, eine Frühform von Finnegans Wake, schiere Wand schon, unverständlich und ohne gültiges Ritual, mit dem man eindringen kann. Eine symbolische Verschlüsselung der eigenen Welt und des eigenen Leidens, das zu akzeptieren er gelernt hatte wie er auch den Selbstmord des eigenen Sohns hatte akzeptieren müssen, so sehr ihn dieser auch mit Schuld und einem zusätzlichen Gefühl von Versagen belastete, das nun grenzenlos zu werden drohte. Ein Gedicht des Akzeptierens, nicht der Zurückweisung, wie sie aus seinem früheren Werk so klarsinnig spricht."
Klarer noch klingt es aus Fußnote Nr. 117. Dort heißt es:
"In diesem Zusammenhang sei noch bemerkt, daß Melville sich vor dem "krank machenden Betrug" des Heiligen Grabes in Jerusalem offenbar ebenso abgestoßen fühlte, wie ich mich selbst, und mit mir viele modern denkende Europäer, vom noch viel krankhafteren, weil ja späteren Betrug mit dem angeblichen Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela. Melville hat sich dadurch allerdings nicht vom Zustandebringen von "Clarel" abhalten lassen; ebenso wie auch ich - und darin mag man nun in der Tat eine gewisse Wahlverwandtschaft erkennen, diesmal endlich im Positiven - meine Fußnoten trotzdem weiterhin zum Erklingen bringe: in ähnlichem Sinne frohgemut, könnte man sagen, wie Melville einst "glücklich" gewesen sein mag. So gesehen dürfte auch ich mich dem Paradies genähert haben, auf meiner ureigensten Jakobsleiter. Auch ich kann im faulen Kompromiß kein Zuhause mehr finden. - (PC Melville)
Dies legt, meine ich, zwingend nahe, daß er sich einige Gedanken über sein eigenes Glück gemacht haben könnte. Und daß er dies mit dem möglichen Verfassen eines eigenen Gedichts in Verbindung bringt, zu dem er, wie wir mit Sicherheit herausgefunden haben, einiges von Melvilles Original-Motiven aus "Clarel" - ob er sie nun verstanden hat, oder nicht, sei dahingestellt - verwandt, oder sagen wir lieber, auf die ihm eigene eigenwillige Weise transformiert hat. Offenbar kam es in ihm zu einer so starken Identifikation mit einerseits Melville, andererseits aber auch dem Autor, grade in dieser Arbeit, dieser Dame in Blau, daß er selber den Weg nach Jerusalem hat finden müssen, um nicht verrückt zu werden. Wäre er nicht ein Rechner, könnte man Mitleid mit ihm haben.
Warum hat er aber nicht wie Melville gereimt? Seine Fähigkeiten hätte gerade das bestimmt nicht überstiegen, schließlich verfügte er über Reim-Datenbanken, die alles von Goethe Gereimte nicht nur enthielten sondern weit in den Schatten stellten. Insofern wohnt auch den im vorherigen Textkörper immer wieder aufflackernden Invektiven gegen die Kunst des Reimens, sie streifen ja nicht nur mitunter das Reich des Grotesken, eine gewisse Unglaubwürdigkeit inne, jedenfalls wenn sie ebenfalls oder auch nur zum Teil von PC Melville stammen sollten. Aber auch hierin zeigt sich vielleicht eine eigentümliche Unterwerfung gegenüber dem Autor und mehr vielleicht noch seinem Helden Philipp, der ganz gegen Schluß in Vereinigt (III, 5) folgendermaßen spricht:
"Hinter den Schienen gab es keine Substanz mehr für Philipps Erinnerung, Schluß, dachte er, das ist das Ende, jetzt, jetzt. Das Ende von etwas, so wie es die Wiedervereinigung für Deutschland sein würde - er selbst würde jetzt wohl schnell stürzen. Bei einem solchen vor Freude ja geradezu glänzenden Anfang würde er den Sturz vielleicht sogar erträglich finden, zumindest verständlich. Wer so hoch und im Glück beginnt, kann nur noch fallen. Vielleicht würde er ja noch eine Art Halt finden, an einer ihm noch unbekannten Rettungsstation, in seiner auf einmal befriedeten Denkart verlangte er nicht mehr viel. Und dann wie Melville jahrelang an etwas wie "Clarel" arbeiten, er mußte sich dieses Buch, das ihm Peter mal geliehen hatte, gleich morgen bestellen. Aber gereimte Dichtung? Konnte man heute noch so weit fallen? Ach, was wußte er denn schon. Nur von dem kommenden Sturz hatte er klare Vorstellungen, aber gerade die Klarheit erwies das als wohl zu simpel gestrickte Phantasie. Wie sollte er sich retten? Er hatte wirklich keine Ahnung...."
Hier läßt sich vielleicht der wirkliche Schlüssel zu diesem, nennen wir es ruhig 'Werk', finden: Einerseits stehen alle Zeichen auf Sturz, anderseits verlangt auch die Modernität noch immer ihr Recht. PC Melville wollte jedenfalls mehr als nur imitieren. Er war ein Kind schon des neuen Jahrtausends. Und das war ihm Verpflichtung. In seiner Modernität wollte er in seiner unbezweifelbaren Not a) nicht hinter diesem Philipp zurückstehen b) kein Zuhause in einem billigen Kompromiß finden, c) schiere Wand anbieten, mit keinem gültigen Ritual, mit dem man eindringen kann. - Was immer man sonst über diese Arbeit sagen mag, in diesen Parametern zumindest ist sie fraglos gelungen. So sei sie denn hier am Schluß dieses Romans einfach publiziert. Sie zu kommentieren macht nur Sinn, wenn man etwas davon verstünde. Ich tue das nicht. Vielleicht kann ja irgendwer irgendwann irgendwas damit einmal irgendwie anfangen. - (PC Olson)
Wie Eisbastionen rund um den Pol Blank deine blanken Türme, Jerusalem! Ah! Unterformungen im Kopf, blinde Bögen zeigen es uns, Wände des Vergehens, fest vermauerte Portale als El Tih, die große, schreckliche. Unwahrer Gott, absurder Mythos Ein Heiliger Araber zwischen mir und der Insel,
die Stille und die Einsamkeit davon, ältere Erinnerung. Weiter und tiefer
Dies für den entschwundenen Geist - er ging, um Null zu folgern, Null und Nichts. der sich türmende Schirm einer Stadt, ins Zwischen Teich, Hügel, Dorf, Heiter wie von Sand gewürgte Veilchen vom Anker, auch sie finden keinen Hafen; ganz ohne Boje: So kam der Tag, wo das Drängende
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Seine Finger drückten ein Stöckchen Schwarzdorn, Thomasio ists, der Schwede, Wir lesen viel von Steinen in den Schriften. Feines Gereite. Musketen-Geschieße. Sie flohen. - Und du? Der Weg ist graubraun ...
schwarz, ein trockener Hügel, nichts zu sehn hinunter sich von den Zinnen und starrte auf seinen Schatten den Hammer an, ja zur Geologie konvertiert:" - "Wie ein Feuerschiffwärter die Schwäche muß sich an Stärke gewöhnen": Araber überqueren nun den Fluß; Lanze - einst Kreuzfahrer - alles, nur kein Grün trieb sich das Ornament von Girlanden ... der schroffe Hang dem Südpol zugekehrt ich neige dich, geneigtes Kreuz!" auf freakige Weise teuflisch, doch immer noch scheu. O bitter ist dies, Wasser des Todes, dachte ich Das implizierte Ding ist eins mit dem Menschen, Auf einem Kamelschädel, gerade dieses Wassers, das dieser Stern zu Galle macht." ihres wilden Fleisches, den Geweberesten an Knochen. Dort, dort tote, salbungsvolle Steine; So öde danach diese Stille, so tot die Welle. Aufgehängt dort, hing das Segment |
zuerst in diesem Tal entdeckt - ein Thema, das an Clubs und Volkshochschulen rührte Die ermüdende Länge all dieser Argumente, Ein Zittern überall von kleinsten Qualen, Schlechte Stunde (dachte er) ein schlechtes Zeichen: ein Beduinen-Camp in einer Höhlung der hohen Hügel, Hinter dem Tor dann der Becher
auch wenn einer wie eine tote Statue aussah. unklar zeigte es sie, seltsam geworfen - Leichen nach der Schlacht, Die ganze Insel grün, vom Strand zu den Hügelspitzen - Die Hohlheit seiner vielen Seiten! diesen gefährlichen Teufel, dessen schlanke proa ja, sag Tod!"
wenn von der Reling aus, Höhlen, Falltüren, Löcher in der Wand; Einsiedeleien - das Kloster ein Konglomerat, Keine Myrte hier; allein die Palme. Ein eisernes Geländer, einsame Mönche; Raben die des Adlers
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gegen den Dunst: der Salzige schickt seinen Blick "Wrack voraus! Das Wrack - Jerusalem!" aber schon wenn ich es denke, ein Seemann (und er ist fast ein Seemann), dazwischen ein trauriger Bogen,
auch Bernhard, geschult wie er war durch die unmenschliche See, ein Kreuz, es ist ein Kreuz," sagte er. Die Herrschaft, die Herrschaft der Mager ist gelaufen, entgegnete ich - "Tahiti?" Anthor: "Du hast Tempo!" Trimm meine Monomanie, zu Gleichheit entwürdigt: Amerika verplemperte unser letztes Erbe: und folgen sie, folgen sie langsam. das Licht ist größer, daher der Schatten mehr.
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Ende der Pilgerfahrt