VORWORT DES HERAUSGEBERS
"Studie" nennt sich dieser Teil der Comédie Artistique, der bislang vor allem aus zwei voneinander recht unabhängigen Textblöcken besteht, die beide - insgesamt ca. 100 Seiten - nur stellenweise den Charakter des Fertigen haben. Der erste befaßt sich vor allem mit einer von Edinburgh ausgehenden Zweitagesreise durch den Norden Schottlands, die Anfang 1991 stattgefunden haben muß, mit vor allem geologischen Interessen. Der andere Teil scheint wiederum eine Kette belletristischer Versuche zu sein, auch unsystematische Tagebuchnotizen gehören dazu, die sich, das Geschehen spielt nunmehr in Hamburg, um den Tod des bekannten amerikanischen Filmmachers Hollis Frampton ranken, und daher wohl zwischen Frühjahr und Herbst 1988 anzusiedeln sind. Diesem Hollis Frampton ist auch der 1994 fertiggestellte Film "Aus dem Zeitalter des Übermuts (Dichtung und Wahrheit)" gewidmet, der dem vorherigen und siebenten Teil der Comédie Artistique - "Die Dame in Blau" beiliegt. Das Verbindende der beiden ein wenig disparat wirkenden Textblöcke besteht nun offenbar darin, daß Norbert, der Protagonist dieser "Studie", jenem Hollis Frampton zum ersten Mal im Jahre 1977 in Edinburgh begegnet ist und er sich nun wieder daran erinnert. Damit läge das Kerngeschehen der Comédie, das ja im Sommer und Herbst des Jahren 1990 direkt nach der deutschen Wiedervereinigung spielt, zwischen den beiden Blöcken, und in der Tat enthält "Eis" ein kurzes Gespräch, worin von der bevorstehenden Edinburgh-Reise eines gewissen Philipp die Rede ist. Die zu Impotenz führende Journalismus-Episode aus "Aus der Knabenzeit" dürfte wiederum kurz danach stattgefunden haben, in ihr gibt es einen retrospektiven Bezug: "Aber dann erinnerte er sich mit Schärfe an sein Gesicht vor ein paar Monaten, damals in Schottland, als er sich glücklich, im Hochgefühl eines seltsames Glücks beim Durchfahren der schottischen Hochmoore gefühlt hatte, angesichts der langen Schatten von Schafen auf dem Hochland, das in frischem Grün sich wellende Land auf ergreifende Weise herausmodelliert von der Abendsonne, und wie dann das allertraurigste Gesicht der Welt von ihm erblickt worden war, im Rückspiegel, traurig schon vor jenem traurigen Strand, der in den Norden wies...", von dem auch an anderen Stellen dieses Bruchstücks mehrfach die Rede ist, von wo aus gewöhnlich zu einer Reihe von Erwägungen über das Wirken des aus Schottland stammenden Scholastikers Duns Scotus übergegangen wird.
Da die anderen Romanversuche des Autors immer zumindest drei stark voneinander geschiedene Textblöcke aufweisen, bleibt zu spekulieren, worin dieses fehlende Dritte in diesem Fall bestehen könnte. Es ist zu vermuten, daß es sich um den dritten Ort handelt, an dem der Autor jenem Hollis Frampton begegnet ist, in anderen Teilen der Comédie war schon mehrfach davon die Rede, mitunter sogar recht ausführlich, ohne dabei natürlich erschöpft zu werden, es handelt sich selbstverständlich um New York. Es gibt Notizen, die zu verraten scheinen, daß der Autor beabsichtigte, seine ganzen Amerika-Erfahrungen einmal in einem Roman zusammenzufassen, in einem Zustand größerer Reife, insbesondere die Begegnung mit seiner ersten Frau Leona, die ihm wohl eine besondere Art von Erfüllung bescherte, aber auch sein Physikstudium in New York, und die diversen Treffen mit amerikanischen Filmmachern anläßlich seiner diversen ausgedehnten Amerika-Aufenthalte, in denen sich seine Filmästhetik entscheidend bildete. So gesehen könnte es sich bei "Hollis" um den Ansatz eines Amerika-Romans handeln, von dem der Autor zunächst aber gewissermaßen nur das ein wenig haltlos in Europa auslaufende Echo skizzierte. Aber wie gesagt, dies alles ist momentan reine Spekulation, der vorhandene Text gibt es nicht her.
Andererseits gibt es bereits einen Amerika-Roman des Verfassers ("Das Abenteuerliche aber Glücklose Leben des William Parmagino"), den dieser bereits 1969 geschrieben hat. Daß nur 30 der insgesamt 166 Seiten dieses unveröffentlichten (es wurde offenbar nicht einmal versucht, es zu veröffentlichen) Jugendwerkes elektronisch transkribiert wurden, läßt auf eine gewisse Unzufriedenheit seitens des Autors, der ansonsten bei derartigen keine Mühe gescheut hat, schließen. Da er trotzdem in dem Comedie-Ordner auf seinem Computer abgelegt ist, sollte er vermutlich dennoch irgendwie eingebaut werden. Ein eigenes Titelblatt weist ihn als "letzte Lieferung des neunten Teils" der Comédie aus; da sich dieser ("Lago") aber vornehmlich mit Nautischen befaßt, hat das etwas ausgesprochen Unlogisches, und so sei dieser Teil, zumindest solange er nicht vollständig transkribiert und daher selbst nur Fragment ist, vorläufig als Anhang hier untergebracht. Interessant daran mag immerhin sein, daß er den Entwurf und die ersten Kapitel zu einem "Hitlers Tagebuch" genannten "Roman" enthält, die ebenfalls in New York spielen - dies taucht die Genese seines "Sulla" (bislang war sie aus Philipps Bemerkung ("Vereinigt", I, 1) noch am ehesten ableitbar, er hätte angesichts von Sullas Heiligtum in Terracina an einen "heiteren" Moment in New York hätte denken müssen, worin er im Vorüberfahren die Metropolitan Opera erblickte) doch in ein erheblich düstereres Licht: offenbar war ihm der politische Aspekt einer "Vereinigung durch den Feind hindurch" ("Vereinigt", I, 13; II, 6 ) schon mit dreiundzwanzig mehr als nur vage geläufig. Insofern mag er in seinem "Sulla" endlich die Chance gesehen haben, sich einer Diktatoren-Psyche zu nähern, die sich von ihm begreifen ließe, was wiederum sowohl die sogenannte "Unerreichbarkeit" Cornelias (um sie geht es nämlich gar nicht; daher masturbiert er sich gewissermaßen über sie hinaus seinem eigentlichen Ziel entgegen) als auch die vielen Exkurse zur jüngsten Deutschen Geschichte im Ersten Teil von "Vereinigt", der sogenannten "kalten Hölle", um vieles verständlicher macht, auch in ihrem scheinbar ziellosen Mäandern. Vorläufig möge die unvollständige Transkription dieses Romans also (inclusive der beiden bemerkenswerten Filmbeilagen, von denen sich eine ausdrücklich mit New York befaßt) für das noch fehlende Dritte stehen.
Da der vorliegende Text bislang auch sprachlich nur den Charakter eines notdürftig geordneten Skizzenbuchs hat, muß vor einer Veröffentlichung abgewartet werden, ob der Autor sich noch einmal zu einer entschlosseneren Strukturierung bzw. vielleicht sogar der angedeutet episch-amerikanischen Erweiterung entschließt. Eine Veröffentlichung in der momentanen Form kann daher nur posthumen Charakter haben, vielleicht indem man den Text dann im Internet zur Verfügung stellt, um die regulär veröffentlichten Teile zu komplementieren. Trotz des stellenweise doch sehr unbeholfenen Deutsch, bei dem man häufig mehr als einem lieb ist raten muß, was der Autor überhaupt meint.
PC Auden (BdR)