K. Wyborny

BLOND!

Performance in der Buch-Handlung Welt
am 20.9.79


Einladung zur Veranstaltung

1. Notizen zur Performance:

für Wandbild, Leinwand, Laken & Film
(Schere & Abklebstreifen)

(Bildensemble in der Buch Handlung Welt, ca. 450 x 150 cm, 20.9.79 -20.10.79, nur auf CD-Version)

Links das auf Leinwand gemalte Bild "BLOND", rechts daneben das Doppelwandbild "Original und Fälschung", dessen rechte Hälfte eine Kopie der linken zu sein versucht. Am Boden zwischen den Bildern der Plattenspieler.


Zu Beginn der Performance sind die Bilder von verschiedenen Bettlaken bedeckt:

 

Vorgehensweise:

0. Laken über dem blutbefleckten entfernen.
1. Mittleres Bettlaken spannen, so daß glatte Fläche entsteht
2. Darauf werden zunächst "Fensterfilm" und "Potpourri" projiziert
3. dann nach vorn gehen, während CORDALLIMENTE ITALIANO läuft, und die Geschichte erzählen - dabei
4. die Projektionsfläche aus der Leinwand ausschneiden, so daß man auf die tiefere Schicht gucken kann
5. gegen Ende die beiden Seitenlaken abnehmen und dann auch das Mittellaken, so daß, wenn das Licht angeht, das ganze Bild fertig an der Wand zu sehen ist.

(Arrangement zu Vorstellungsbeginn, nur auf CD-Version)


2. Tonbandprotokoll des während der Vorführung erzählten Textes:


Dieser Film hier, FENSTERFILM, basiert auf einem Gedicht von Joseph von Eichendorf, das gestern in der Bildzeitung gestanden hat, und das MONDLICHT oder so ähnlich heißt. Die Grundannahme des Films ist die Fehlannahme, daß die Betrachtung der Natur etwas ist, was irgendwie erbaulich ist, jedenfalls irgendwas, was den Menschen interessieren könnte. Das ist natürlich grundfalsch, denn wie jeder weiß, ist die Natur der natürliche Feind des Menschen.

Offensichtlich bei diesem Stück Film ist natürlich die Symbolik des Kreuzes und seiner Metamorphosen, und im Lauf des Films wird sehr klar werden, auf welche lächerlichen Formen der teutonische Schwachsinn und speziell seine Artikulation, die Blondheit, verfällt.
Im Film handelt es sich um Langzeitbelichtungen, jedes einzelne Bild ist, glaube ich, so an die acht Sekunden belichtet, das sieht man nicht so direkt. Wenn man aber genau hinguckt, merkt man, daß das eigentlich nichts mit diesem üblichen Einzelbildeffekt zu tun hat, weil all die Einzelbilder sind verschmiert, von der Langzeitbelichtung. Das kann man machen, wenn man Graufilter davorschaltet, ich wußte damals aber nicht genau, wie man das richtig belichtet, deswegen ist es manchmal dunkel geworden - die Grundidee war wohl, die Fenstertüren als Sektorenblende zu benutzen.

-Diese Szene hat eine dramaturgische Finesse, die sich die Blondheit ausgedacht hat.
- Und diese Passage figuriert mehr recht als schlecht als Figuration des Psi-Effekts.
- Hier handelt es sich um wohl so etwas wie einen virtuosen Klimax,
- mit darauf folgendem lyrischen Intermezzo.
-Wie man sieht, endet der Film recht beschaulich.
(und natürlich stellt sich auch die Blondheit des Arbeitsprozesses in schonungsloser Nacktheit dar).

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Und dies ist der zweite Teil der Tragödie der Blondheit, und er heißt "Potpourri aus östlich von keinem Westen", aus der Serie STÜCKE AUS FILM.
Wie ihr seht, ist dieser Film etwas kurzweiliger, das einfache Fensterkreuz hat sich aufgelöst in viele Unterkreuze, aber der Grundtenor ist immer noch der einer gemächlich dahinfließenden Behäbigkeit.
Nachdem man den vorigen Film gesehen hat, kommt einem dies natürlich ziemlich spannend vor, aber wenn man sich das zu Hause allein anguckt, dann bedeutet das eigentlich auch nicht sehr viel. Als ich den Film das letzte Mal vorgeführt hab, hab ich hier so ne Geschichte erzählt, weil das so langweilig ist, es anzugucken, aber ich, ich kann das ja noch mal erzählen, aber ich ändere sie vielleicht ein bißchen.
Also als ich noch nicht blond war, und ein ganz kleiner Junge, so daß ich zur Schule mußte, bin ich immer auf dem Dampfer von meinem Opa mitgefahren. Der fuhr auf einem Schiff, das hieß OSKAR WANCKEL EINS, und es war ein Heckraddampfer, von denen gab es nur zwei auf der Elbe, eben diesen Oskar Wanckel Eins, und einen anderen, der hieß VORWÄRTS. Diese Schleppdampfer haben immer Kähne von Hamburg nach Berlin oder Prag oder Dresden oder Magdeburg geschleppt, und da, statt zur Schule zu gehen, war ich oft auf diesem Dampfer, und hab so das Ufer vorbeiziehen sehen.
Und ganz oft haben wir - Oh Gott, nee jetzt kommt schon ein viel spannenderer Teil - geht jetzt so ein bißchen unterhaltsamer so vor sich hin.
Na ja, jedenfalls haben wir dann Holz gehackt, mein Cousin und ich, und an einem Tag, da hat er statt das Holz zu treffen meinen Zeh getroffen, und da war der Zeh ab. Und es hat geblutet, aber es tat gar nicht weh, und dann kam mein Opa, hat sich den Zehen angeguckt, und hat ein kleines Eimerchen genommen, mit Wasser und den Zehen da rein gemacht, und ich hab auf meinen Zeh geguckt, und es tat nicht weh, und mein Opa hat die Kähne abgehängt, und ist damit nach Lauenburg gefahren, nicht damit, mit dem Dampfer nach Lauenburg, mit dem Oskar Wanckel, und da kam ich ins Krankenhaus, und da haben sie den Zeh wieder angenäht, und da hab ich mit lauter Leuten im Krankenhaus gelegen, zwei Monate lang, die nur ein Bein hatten oder einen Arm, oder nur einen Kopf - als ich dann wieder rauskam, war ich blond.

Dies ist wieder so ein ruhiger Teil zum Schluß, weil die Filme zerkratzen am Anfang und am Schluß immer unheimlich, da ist es ganz gut, wenn man am Anfang und am Schluß nicht so tolles Zeugs macht, also am Anfang ist es ganz besonders schlimm, und dann gibt es da auch immer das Problem mit der Schärfe, daß das Bild nicht so richtig scharf ist, und es dauert immer so ein, zwei Minuten, bis man es eingestellt hat.
Das war also der zweite Teil von der Tragödie der Blondheit, und wie man gesehen hat, ist das der Teil, der in Tragödien immer als Hybris bezeichnet wird, wenn man unheimlich rumfummelt, und auf einmal glaubt, das große Glück gefunden zu haben.
Und das ist das etwas pathetische Schlußbild.


So, jetzt kommt der dritte Teil, und der heißt CORDALLIMENTE ITALIANO und ist nicht aus der Serie STÜCKE AUS FILM, sondern eher aus der Serie DAS LEBEN IN STÜCKEN.
So, das ist so aus meinem Fenster in der Jarrestraße in Hamburg.

Der vorige Film war ja ein Film gegen alles, dieser Film hier hingegen ist ein Film gegen nichts, ist nicht gegen den Kapitalismus und nicht gegen den Kommunismus, ist nicht gegen Kuba und nicht gegen Madagaskar, nicht gegen die DDR und nicht gegen Bayern, nicht gegen die Filmindustrie und nicht gegen das Filmfest, nicht gegen Hellmuth Costard und nicht gegen Heinz Emigholz, nicht einmal gegen die Idee des Film oder die Idee des Bildermachens, oder gegen die Kameras oder die Projektoren, oder gegen die Leinwand. Der vorige Film war gegen alles, dieser Film ist ein Film gegen nichts.
(und ich genieße nichts mehr, als andere Leute aufzuwecken und mit ihnen zu frühstücken.)
Also ist so aus meinem Fenster, und ab und zu fließt da der Rhein vorbei, und da kann man die Schiffe sehen, und das ist sehr angenehm.
Dies ist auch ein Film über Synchronton. Der Ton, den ihr so hört, ist absolut synchron zu den Filmaufnahmen. Es ist mit Pilotton aufgenommen, und der ganze Ton, den ihr hört, spielt sich außerhalb des Bildfeldes der Kamera ab.
Wie ihr seht, ist dieser Film auch etwas gröber hergestellt als die anderen, es sind einfach so Rollen zusammengeklebt, das hab ich heut morgen gemacht, das hat so ne Stunde gedauert, ungefähr, für ne halbe Stunde Film, und am Anfang ist das noch alles so relativ sorgfältig hergestellt, aber so, wenn der Film jetzt weitergeht, wird es etwas eigenartig, der degeneriert so langsam zum Panoptikum der Einfallslosigkeit.
(je länger der Film dauert, desto schlechter wird er, und gegen Ende degeneriert er zu einem Panoptikum unendlicher Einfalt und Ideenlosigkeit.)
Dies hier ist ein besonders übler Teil, jeder weiß, daß sowas immer so Übergangscharakter hat, um von einem Ort zum anderen zu kommen: da fährt einer. Das ist natürlich auch besonders schwachsinnig, dann, das da.
Wie gesagt, das alles was ihr seht, das bedeutet absolut nichts, überhaupt nichts. Das einzige, worauf es ankommt, ist das Schnurren des - das, der Titel hier ist falsch, falsch geschrieben, kommt später nochmal - das einzige, worauf es ankommt, ist das Schnurren des Projektors und die Zeit, die dabei vergeht, Zeit, die uns gestohlen wird aus einem Leben, das so voller Ereignisse ist, daß wir uns über jeden Diebstahl, der so halbwegs gelungen ist, ganz schön freuen. Dies allerdings ist kein halbwegs gelungener Diebstahl, dies ist Vergewaltigung, Mord und Verführung Minderjähriger.

(Hier diese Stelle ist besonders unverständlich, an sich sollten diese Passagen überall dazwischengeschnitten werden, so als rhythmische Interpunktion, aber das ist ja doch alles Quatsch, es sieht ja doch jeder, daß es nur dazwischengeschnitten ist, und dann zerfällt das eben wieder in seine Bestandteile, Film ist eben nicht wie Töpferei.)

(Musikeinsatz, Anfang Mahler)
(Tonarm am Ende)
(Musik in der Mitte)
Ich hab so vergessen, über Musik zu sprechen. Wenn man son schlechten Film hat, dann kann man immer son bißchen Musik machen, und dann klingt das ganz gut und mit dem Ton gehen die Bilder ganz gut zusammen, seht ihr, wie das so fließt, so

(Ach so, ich habe die Musik vergessen, damit geht es natürlich, hier jetzt fließt alles. Schön, alles ist elegant verschmiert.
(Mahlers Lied von der Erde, aber während "schön" gesagt wird, immer Aufheben des Tonarms und brutales Neupositionieren mitten in die Musik hinein, sehr laut und sehr brutal, 3 mal Ratsch, ratsch, ratsch)
Aber ihr habt ja auch gesehen, daß das eigentlich auch den Film nicht besser macht, scharfe Augen durchschauen auch das)
Ratsch
Ratsch
Ratsch
längere Musikpassage

Dies hier war an sich als solche Serie von Zwischenschnitten geplant, aber dann hatt ich heut morgen da keine Lust zu, weil einem gut blickenden Publikum fällt das natürlich auf, daß
(Musik aus)
sowas so bewußte Operationen sind, und dann zerfällt das dann doch wieder, dann sieht man, da hat irgendjemand so ne Entscheidung getroffen, also da fällt man denn ja doch nicht so richtig drauf rein.
Dies ist nicht so zwischenschnittartig. Dies ist auch nicht so gut für einen Zwischenschnitt. Dies meint ich, dieses Rat-a-ratta-ta-tam. Ich glaub jetzt kommt ne ganze Rolle mit diesem Ratta-ta-tatta-ta-tam. Na ja, Film ist eben -manche Leute sagen ja, Film ist wie Töpferei, da klebt man so Sachen zusammen, und dann entsteht da so n Topf, aber wenn man dann genau guckt, dann zerfällt das irgendwie, es ist irgendwie sehr traurig, manchmal, da sagt jemand, er hat n Topf gesehen, und dann guckt man dahin, und dann sieht man nur Scherben...

 

Ende


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